Damini

Damini  [hindi „Blitz“] ist die Namensgeberin für unseren Verein. Sie starb 2013 an einer schweren Sepsis im Alter von 16 Jahren in Varanasi. Daminis Leben illustriert in vieler Hinsicht die Aufgaben, die sich vor Ort stellen, die Probleme und Kontroversen mit denen sich Kinder und Lehrerinnen täglich konfrontiert sehen - und für die es selten eine vorformulierte oder einfache Lösung gibt, und an denen man manchmal auch scheitert.

 

Damini kam als Mädchen mit etwa 8 Jahren zu uns in die Schule. Sie war eines von ca. 13 Kindern einer Familie von Armutsflüchtlingen aus dem angrenzenden Bundesstaat Bihar. In dieser ländlichen und bitterarmen Region lebte ihre Familie als Angehörige der Ureinwohner-Stämme („Adivasi“) in einem Dorf und gehörte dort zur niedrigsten Gesellschaftsschicht. Der Vater arbeitete als Tagelöhner auf dem Feld, wo er in Getreide bezahlt wurde.

 

In der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungenzogen sie nach Varanasi. Sie lebten abseits einer Straße unter einer Zeltplane in einem kleinen Slum mit anderen, ebenfalls aus der Region stammenden Familien. Der Vater arbeitete als Rickshawfahrer, die Mutter ging betteln. Die Kinder nahm sie oft mit, besonders wenn sie krank waren. Zerlumpte, ausgehungerte Kinder bringen nun mal mehr Geld ein als die Erwachsenen.

In unserer Schule bekam Damini regelmäßige Mahlzeiten und Zeit zum Lernen und Spielen. Da ihre Eltern schwer alkoholabhängig und oft sehr gewalttätig waren, wurde sie in das zugehörige Internat aufgenommen. Dort wuchs sie zu einem freundlichen, zurückhaltenden Mädchen heran. Anders als ihre Eltern konnte sie lesen und schreiben und machte sich zunehmend auch Gedanken über ihren weiteren Lebensweg.

 

Nach den tradierten Vorstellungen der Familie war dieser Weg allerdings klar vorgezeichnet: möglichst frühzeitige Heirat. Anschließend ein Leben als Mutter und Hausarbeiterin. Da der Ehepartner üblicherweise durch die Eltern bestimmt wird, und eine Heirat außerhalb des eigenen Stammes unmöglich ist, würde dieser Weg die bisherige Armut, die Bildungsferne und das damit verbundene Leiden weiter zementieren. Damini rebellierte dagegen, wollte weiter zur Schule gehen und ein selbstbestimmtes Leben führen, das sich nicht ganz einfach mit diesen Traditionen vereinbaren läßt.

 

Sie wurde von großen Zweifeln geplagt, wie sich die Erwartungen ihrer Familie und ihre eigenen in der Zukunft vereinbaren lassen könnten. Obwohl diese Widersprüche immer

wieder offensichtlich in Form von gewalttätigen Außeinandersetzungen um eine geplante Heirat und mögliche Ehemänner zutage traten, fiel es ihr auch schwer, sich gegen die Autorität ihrer Eltern und damit der Familie zu stellen.

Ballon für Damini bei der Weihnachtsfeier im Heim 2013
Ballon für Damini bei der Weihnachtsfeier im Heim 2013

 

 

Nachdem es bereits mehrere Versuche seitens des Vaters gegeben hatte, sie einem versprochenen zukünftigen Ehemann, gegen Bezahlung (etwa 80 Euro) zuführen, wurde sie im Mai 2013 von ihrem Vater aus dem Hostel entführt und in ihrem Heimatdorf  versteckt. Versuche, sie von dort zu befreien, scheiterten auch am mangelnden Einfluß der Behörden in den ländlichen Gebieten und ihrem Willen, sich mit diesen "Tieren" auseinanderzusetzen, wie uns von seiten der Polizei gesagt wurde. Letztlich gelang ihr nach Wochen selbstständig die Flucht zurück nach Varanasi in unser Internat. Was wir nicht wussten: Ihre Mutter und ihre Tante hatten ihr Schnaps eingeflößt und sie so betrunken gemacht, dass sie Damini ohne dass sie sich wehen konnte, zu ihrem "Verlobten" brachten. Ihm wurde sie für eine Nacht überlassen, damit er sie "ausprobieren" könne. Sie wurde vergewaltigt und vor die Tür der Hütte gelegt. Voller Scham traute sie sich bis kurz vor ihrem Tod nicht, darüber zu reden.

 

Einige Wochen später erkrankte sie an einer bis heute ungeklärten Infektionskrankheit, die im Verlauf von drei Wochen, wohl auch wegen mangelhafter ärztlicher Behandlung, zu ihrem Tod führte.

 

Wir werden sie auf immer vermissen. Ihr Lachen, ihre sprühende Freude, wenn sie tanzte, ihren Eifer im Unterricht, ihre Lust aufs Leben.